
Busemanns EM-Kolumne
Die Holländer und ihr Fahrrad
von Frank Busemann
Unglaublich, aber wahr: Erst muss sich ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann in Amsterdam die Funktionsweise eines Fahrrads erklären lassen - und dann gerät er kräftig ins Schlingern.
Ich habe ein leises Piepsen auf dem Ohr. Es war so laut, sehr laut. Ich bin keine 20 mehr, das habe ich heute gemerkt. Meinen Abend habe ich nahe des Wurfkäfigs in Reichweite der Trainer verbracht. Die Musik beschallte das Stadion unaufhörlich. Danach versuche ich jetzt erst einmal runterzukommen. Wie geht das am besten? Natürlich mit dem Rad. Und da fällt mir was ein:
Wie jedes Jahr schreibe ich auch dieses Mal über einige landestypische Auffälligkeiten der Gastgebernation. In Peking war es dieser lebensgefährliche Verkehr, in Zürich die Pizza für 24 Euro, in Moskau die goldenen Bentleys, in London dieser ewige Stau mit seinen Taxis. Und in Holland? Natürlich. Fahrräder. Was sonst?
Das Rad besser anschließen!
Wer aus Deutschland kommt, der macht in Autos, Bier oder Lederhosen? Scheinbar erweckte ich beim Concierge des Hotels einen solchen Eindruck. Wie sonst ist zu erklären, dass er mir bei Ankunft in Amsterdam das Fahrrad erklärte. Okay, der war nett. Aber wir müssten uns doch nicht zwei Minuten damit aufhalten, wie ein Schloss funktioniert und eine weitere Minute, dass ich das Rad am besten irgendwo anschließe, damit es keiner klaut.
Ich fühlte mich auch ein bisschen an meine Vergangenheit erinnert. Als mir letztens jemand eine solch offensichtliche Sache mit einer solchen bemitleidenswerten Miene zu erklären versuchte, war ich im olympischen Zehnkampf, beim Kugelstoßen, Busemanns Spatzenarme wuchteten im ersten Versuch die Kugel auf 13,49 Meter und der Concierge hieß damals Dan O'Brien. Das Schloss bekomme ich auf, Kugelstoßen lernte ich auch mit Dans Hilfe nicht.
Positionskämpfe auf der Reportertribüne

Frank Busemann stürzte sich für die ARD ins EM-Getümmel.
Radfahren kann ich jetzt. Vier Tage Amsterdam machen aus einem hilflosen Kugelstoßer, einem fast tauben Reporter, quasi eine Kampfmaschine. Hier kann es manchmal ganz schön wuselig zugehen. Wie am Käfig bei den Trainern. Kaum hatte ich mir meinen Platz erkämpft, will mich ein belgischer Fotograf verdrängen. Gegenhalten. Dann wollte ich zu den Trainern im Dreisprung, verboten. Wieder zurück. Positionskämpfe starten. Warten, lauern, vorpreschen.
Ohne Helm, mutig und nicht zimperlich
In Holland steht man nämlich sogar mit dem Rad im Stau. Und diese unzähligen Fahrradwege, die rot markiert sind, eine Infrastruktur, dass man als deutscher Anti-Radler schnell die Übersicht verliert. Es ist ein sich funktionierendes System. Einfach fahren. Rote Ampeln? Egal! Machen die New Yorker auch. Aber zu Fuß. Hier trägt auch keiner einen Helm, in Deutschland trägt gefühlt nur einer keinen Helm. Und die Holländer fahren auch schnell. Manchmal fliegen sie an mir vorbei und ich staune. Manchmal fahren die Kinder stehend auf dem Gepäckträger mit. So etwas kannte ich bis jetzt nur aus Obervolta und Botswana. Nach drei Tagen wurde ich dann auch lockerer und fahre jetzt immer holländischer. Ohne Helm, mutig und nicht zimperlich. Draufhalten und durchsetzen. Wenn ich zurückkomme bin ich ein Rowdy. Das hilft mir scheinbar auch für den Job am Käfig.
Aber locker bin ich bei Ankunft im Hotel immer noch nicht. Das Fahrrad steht vor der Tür, das Ohr piepst. Und der Puls hämmert. War zu aufregend heute und mit dem Radfahren "runterkommen" habe ich als Wettkampftyp nicht verstanden.
Die Busemann-Kolumnen
Stand: 09.07.16 23:45 Uhr
Steckbrief
Das ist Frank Busemann
Kolumne
Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
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1. |
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6 | 5 | 1 |
2. |
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5 | 4 | 7 |
3. |
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5 | 3 | 8 |
4. |
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4 | 5 | 3 |
5. |
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4 | 1 | 2 |
6. |
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3 | 4 | 1 |
7. |
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3 | 1 | 2 |
8. |
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2 | 5 | 3 |
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