Der französische Stabhochspringer Renaud Lavillenie © imago/GEPA pictures

Stabhochsprung

Lavillenie tritt Bubka-Erbe an

Sergej Bubka beherrschte ein Jahrzehnt die Stabhochsprung-Szene. Der Franzose Renaud "Air" Lavillenie schnappte ihm den Weltrekord weg. Zur "Königin der Lüfte" avancierte Jelena Issinbajewa.

Von der Weite in die Höhe, vom Klettern zum Drehen, vom Holz zum Glasfiber - der Stabhochsprung hat sich in Technik und Material besonders vielfältig entwickelt. Seine Ursprünge haben mit Sport zunächst nur indirekt zu tun: Die alten Griechen nutzten Stäbe zum Springen über Hindernisse, Gräben und Hecken, und die Germanen sollen mit Hilfe ihrer Gere (Wurfspieße) auf die Pferde gesprungen sein. Während die Athleten Mitte des 19. Jahrhunderts noch an Eschenholzstäben hochkletterten, führten die Amerikaner 1889 die moderne Technik mit einem Pendelschwung am Stab und einer Drehung des Körpers über der Latte ein.

Neue Ära durch Glasfiberstab

Regeln

Jeder Springer hat drei Versuche über eine selbst gewählte Höhe. Nach einem ersten oder zweiten Fehlversuch hat der Athlet die Möglichkeit, auf den zweiten und/oder dritten Versuch zu verzichten und über die nächste Höhe zu absolvieren. Bricht bei einem Versuch der Sprungstab, gilt dies nicht als Fehlversuch. Der Wettkämpfer erhält einen Ersatzversuch.

Im neuen Jahrhundert stand auch neues Material zur Verfügung: Bei den Stäben folgte Bambus auf Hickory-Holz, der Einstichkasten wurde kreiert. 1957 stellte der Amerikaner Robert Gutowski mit einem Aluminium-Stab einen Weltrekord von 4,78 m auf. Mit dem Stahl-Stab - und unter erstmaliger Verwendung von Sprungkissen - kletterte die Bestmarke 1960 auf 4,80 m. Als der US-Amerikaner George Davies diese Marke 1961 mit einem Glasfiberstab auf 4,83 m hochschraubte, brach eine neue Ära im Stabhochsprung an: Durch seine Flexibilität konnte der Stab viel mehr an horizontaler Anlauf- und Absprungenergie aufnehmen und während des Sprunges als vertikaler Katapulteffekt an den Athleten wieder abgeben als die Vorgängermodelle. Es setzte eine einzigartige Jagd auf Weltrekordhöhen ein, deren protokollarische Halbwertzeit oft nur noch wenige Monate betrug. Je nach Gewicht und Kraft des Springers und der Sprunghöhe variiert die Länge und Dicke des Stabes. Die modernen Hohlstäbe bestehen heute aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff und haben einen Durchmesser von etwa fünf Zentimetern.

Bubka setzt Maßstäbe

Sergej Bubka © imago

König der Lüfte: Stabhochsprung-Ikone Sergej Bubka.

Der Ukrainer Sergej Bubka ist die prägende Gestalt im Stabhochsprung der Männer. Er überquerte als Erster die magische Sechs-Meter-Marke. Mit seinem Weltrekord von 6,14 m (1994) setzte der "Himmelsstürmer" neue Maßstäbe und gewann alles, was es zu gewinnen gibt. 35 Mal verbesserte Bubka meist zentimeterweise den Weltrekord in der Halle und im Freien. Sechsmal in Folge wurde der Stabartist Weltmeister (1983 bis 1997), jedoch nur einmal Olympiasieger (1988).

Ein neuer Überflieger hat Bubka inzwischen abgelöst. Der Franzose Renaud Lavillenie überquerte im Februar 2014 in Donezk 6,16 m. Weil der Weltverband IAAF mittlerweile nicht mehr zwischen Hallen- und Freiluftbestmarken unterscheidet, hat der dreimalige Europameister und Olympiasieger von London Bubka als Universal-Rekordhalter abgelöst. Trotz seiner Dominanz fehlt Lavillenie allerdings noch der Weltmeister-Titel im Freien in seiner umfangreichen Sammlung.

Otto löst Lobinger ab - Holzdeppe Weltmeister

Der bislang einzige deutsche Olympiasieger im Stabhochsprung ist der Chemnitzer Wolfgang Nordwig (1972 in München). Tim Lobinger überquerte 1997 als erster Deutscher die Sechs-Meter-Marke und war damit lange DLV-Rekordhalter. Rund 15 Jahre später löste ihn im Herbst seiner Karriere Björn Otto, der kurz zuvor in London überraschend Olympia-Silber geholt hatte, mit 6,01 m an der Spitze der deutschen Bestenliste ab. In die Riege der Sechs-Meter-Springer hatte sich 2001 in der Halle auch Danny Ecker eingereiht, der mit WM-Bronze 2007 in Osaka und Olympia-Rang sechs ein Jahr später in Peking Klasse nachwies.

Raphael Holzdeppe war 2013 bei der WM in Moskau zwar weit entfernt von der Sechs-Meter-Marke, doch 5,89 m reichten dem Olympia-Dritten von London, um den höhengleichen Lavillenie als Zweiten und Otto (5,82) auf Rang drei hinter sich zu lassen und erster deutscher Stabhochsprung-Weltmeister zu werden. Zwei Jahre später in Peking holte er höhengleich mit dem Sieger Shawnacy Barber (Kanada) Silber - vor Lavillenie, der überraschend mit Bronze vorliebnehmen musste.

Issinbajewa die erste Fünf-Meter-Springerin

Hält den Weltrekord im Stabhochsprung der Frauen - die Russin Jelena Issinbajewa © picture-alliance / augenklick / sa Foto: sampics

Stabhochspurng-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa.

Lange Jahre war der Stabhochsprung ausschließlich eine Männerdomäne, obwohl bereits 1911 die ersten Wettbewerbe der Frauen dokumentiert sind. Erstmals international vertreten war der Frauen-Stabhochsprung bei der Hallen-EM 1996 in Stockholm. Olympisch ist er erst seit Sydney 2000. Das Maß aller Dinge ist die Russin Jelena Issinbajewa. Das Glamour-Girl sprang jahrelang in einer eigenen Liga, wurde unter anderem zweimal Olympiasiegerin (2004 und 2008) und dreimal Weltmeisterin (2005, 2007 und 2013). Scheinbar mühelos steigerte die erste Fünf-Meter-Springerin (Juli 2005) häppchenweise den Weltrekord, zuletzt im August 2009 auf 5,06 m.

Strutz feiert späte Erfolge

Die erste deutsche Stabhochspringerin von Weltklasse war die Olympia-Fünfte von Sydney, Nicole Humbert. Annika Becker sprang 2003 in Paris zu WM-Silber, beendete nach einem Trainingssturz aber ihre Stabhochsprung-Karriere. Silke Spiegelburg schloss die Lücke zur Weltspitze wieder. Bei den Sommerspielen 2008 in Peking reichte es zu Platz sieben, bei der WM 2009 in Berlin wurde die Vize-Europameisterin von 2010 und deutsche Rekordhalterin (4,82) ebenso Vierte wie bei Olympia und der EM 2012 sowie bei der WM 2013. Starke Konkurrenz im eigenen Lager erhielt Spiegelburg in Martina Strutz. Die Neubrandenburgerin erreichte ebenso wie Björn Otto im reiferen Athletenalter ihr Leistungshoch und sicherte sich bei der WM 2011 und bei der EM 2012 jeweils den Silberrang.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 09.07.2016, 20.15 Uhr

Stand: 01.06.16 11:50 Uhr

Titelverteidiger

Männer:
Renaud Lavillenie (Frankreich) 5,90 m
Frauen:
Anschelika Sidorowa (Russland) 4,65 m

Rekorde

Männer:
WR: Renaud Lavillenie (Frankreich) 6,16 m
ER: Renaud Lavillenie (Frankreich) 6,16
DR: Björn Otto (Uerdingen/Dormagen) 6,01
Frauen:
WR: Jelena Issinbajewa (Russland) 5,06
ER: Jelena Issinbajewa (Russland) 5,06
DR: Silke Spiegelburg (Leverkusen) 4,82

Termine und Teilnehmer

Frauen - Stabhochsprung
Datum Zeit Runde
07.07. 09:35 Uhr Qualifikation, Gruppe B
07.07. 09:35 Uhr Qualifikation, Gruppe A
09.07. 19:20 Uhr Finale
Männer - Stabhochsprung
Datum Zeit Runde
06.07. 17:50 Uhr Qualifikation, Gruppe A
06.07. 17:50 Uhr Qualifikation, Gruppe B
08.07. 18:40 Uhr Finale