Frank Busemann blickt in eine Glaskugel (Montage) © picture alliance, fotolia.com Foto: Sascha Baumann, Klaus Eppele

Busemanns EM-Orakel

Sprint: Hinter Vicaut und Schippers ist alles drin

Im Sprint scheint hinter Jimmy Vicaut und Dafne Schippers alles möglich. Julian Reus, Tatjana Pinto und Co. präsentierten sich in dieser Saison stark. Die deutschen Staffeln sind wie immer Medaillenkandidaten.

Bei den 100 Metern der Männer hat sich Julian Reus nicht nur auf dem Papier zu Deutschlands Nummer eins gemausert. Spätestens seit seinem neuerlichen deutschen Rekord scheint es eine Frage der Zeit, wann die 9 vor dem Komma steht. Sobald er daran denken sollte, wird es nicht klappen. Wie wird er gegen die europäische Konkurrenz bestehen, wenn der Kampf Mann gegen Mann entbrennt und Zeiten eher zweitrangig sind? Hinter Jimmy Vicaut scheint der Weg frei zu sein. Doch läuft sich eine 10,03 in Amsterdam mit direktem Vergleich auf der Nebenbahn um einiges schwerer als in Zeulenroda. Mittlerweile hat Reus aber so viele Läufe gemacht, dass er mit dem Druck locker umgehen müsste.

Menga oder Erewa - einer kommt durch

Auf der doppelten Distanz hat Aleixo-Platini Menga im Mai in 20,27 Sekunden ein Achtungszeichen gesetzt, welches ihm in Kassel bei den deutschen Meisterschaften mehr Last als Lust bereitet hat. Robin Erewa hat sich mit dem Titel eiskalt für eine Nominierung empfohlen. Die 200 Meter waren in den vergangenen Jahren weniger die deutsche Paradedisziplin beim Saisonhöhepunkt, da viel zusammenkommen muss und kleine Fehler sofort eine überproportional starke Wirkung haben. Einer sollte aber ins Finale kommen.

Rennmaschine Schippers darf kein Maßstab sein

Die Damen sind mit einer starken jungen Garde am Start. Tatjana Pinto lief ja schon vor fünf Jahren 11,19 Sekunden und hat sich nun über die Jahre in dem Bereich stabilisiert. Vielleicht gelingt ihr in Amsterdam ein großer Schritt nach vorn. Zu wünschen und zuzutrauen wäre es ihr. Gegen die menschliche Rennmaschine Dafne Schippers hat Europa natürlich keine Chance, aber das darf auch nicht der Maßstab sein.

Wächst Lückenkemper über sich hinaus?

Gina Lückenkemper zeigt eindrucksvoll, dass sich Vertrauen seitens des DLV auszahlt. Im vergangenen Jahr als jüngste der Mannschaft in Peking bei der WM nominiert, kann sie in Amsterdam schon auf Erfahrung zurückgreifen und nicht nur auf der Bahn, sondern auch am Mikrofon mitreißen. Von einer Medaille zu sprechen ist verwegen, allerdings hat sie sich das mit einer Zeit von 22,67 Sekunden selbst eingebrockt. Das wird nicht ihr erstes Ziel sein, aber junge Athleten wachsen manchmal über sich hinaus.

Beide Sprint-Staffeln Medaillenkandidaten

Die beiden Sprint-Staffeln sind wie immer Medaillenkandidaten, die sich nur selbst stoppen können. Aufgrund der Wechselakribie müssen viermal drei Wechsel klappen und Deutschland kann zwei weitere Medaillen verbuchen. Das Potenzial der Teams und deutsche Gründlichkeit sprechen dafür. Bei den Viertelmeilern wird bei den Männern das Abrufen der persönlichen Bestleistung und das Erreichen des Staffelfinals das Ziel sein, wobei man hier nicht auf Wechselschwäche der Gegnerschaft hoffen kann. Bei den Damen ist Ruth Sophia Spelmeyer allein im deutschen Trikot unterwegs und versucht, das Finale zu erreichen.

Kurzhürden: Edelmetall für die Damen?

Über die Kurzhürden starten für Deutschland alte Bekannte. Für Alexander John, Gregor Traber und Matthias Bühler wird es darum gehen, international ihre Klasse unter Beweis zu stellen. Dadurch, dass unter Umständen schon drei Finalplätze an Frankreich und einer an Spanien gehen, wird es eng für alle drei. Aus deutscher Sicht hat es das schon gegeben, aber die Bedingungen sind nicht leichter geworden. Einer verläuft sich, zwei müssen liefern.

Bei den Damen trägt Vizeweltmeisterin Cindy Roleder die ganze Last auf ihren Schultern. Nochmals wird ihr ein so entfesselter Lauf wie in Peking 2015 nur schwer gelingen, zumal Nadine Hildebrand und Pamela Dutkiewicz ähnlich stark sind. Da wir uns hier in einer US-amerikanisch beherrschten Disziplin befinden, aber in Europa laufen, wird Deutschland eine Medaille holen - können ;-)

"Die Tochter von ..."

Bei den Langhürden bekommen wir es mit einem berühmten Namen zu tun. Es ist nun mal nichts schlimmer, als mit "die Tochter von ..." vorgestellt zu werden. Deshalb wird dieser Zusatz hier selbstverständlich vermieden. Als einzige Deutsche mit Olympianorm wird Jackie Baumann ihre Bestleistung verbessern wollen und damit definitiv schneller sein als ihr Vater. Übrigens ein recht passabler Läufer ...

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 09.07.2016, 20.15 Uhr

Stand: 04.07.16 09:00 Uhr

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)