
Leichtathletik
Deutsche Leichtathleten sind heiß auf Rio
Mit einer Mischung aus arrivierten Kräften und jungen Hoffnungsträgern will das deutsche Leichtathletik-Team in Rio glänzen. Für einen goldenen Auftakt könnte am Freitag Christina Schwanitz sorgen. Bei seiner Rückkehr auf die große Bühne besonders im Fokus: Diskus-Star Robert Harting.
Medaillenvorgaben sind schon fast traditionell die Sache des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) nicht. Das gilt auch für Rio. "Ich wünsche mir, dass die individuellen Saisonziele umgesetzt werden", sagte Idriss Gonschinska, Cheftrainer des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Die Mannschaft sei "sehr motiviert, gut vorbereitet. Wir werden kämpfen, wir werden eine sympathische Mannschaft sein - wir wollen alles reinlegen, was wir haben. Das ist es, was wir für Rio einbringen können." Doch Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz könnte gleich am Freitag (12.08.2016) für einen goldenen Auftakt sorgen. Das würde "schon einen positiven Impuls" für die 89-köpfige Mannschaft geben, meinte Gonschinska.
Werfer wieder die größten Hoffnungsträger
Zweimal Gold, zweimal Silber und dreimal Bronze lautete die Bilanz vor vier Jahren in London - ein Ergebnis, das die DLV-Mannschaft auch am Zuckerhut erreichen kann. Hürdensprinterin Cindy Roleder und Zehnkämpfer Arthur Abele haben Chancen auf Edelmetall, die größten Hoffnungen ruhen aber einmal mehr auf den Werfern. Neben Schwanitz dürfen sich der zweimalige Kugelstoß-Weltmeister David Storl, Speerwerfer Thomas Röhler, die Diskuswerferinnen Julia Fischer und Nadine Müller, Betty Heidler bei ihrer Abschiedstour mit dem Hammer, die Speerwerferinnen um Ex-Weltmeisterin Christina Obergföll sowie Robert Harting etwas ausrechnen.
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Die deutschen Leichtathleten im Medaillencheck
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Christina Schwanitz (Kugel): Die 30-Jährige konnte wegen starker Schulterschmerzen erst im Frühling mit gezieltem Training beginnen, trotzdem stößt sie die Kugel regelmäßig deutlich über die 20-m-Marke. Gold ist das erklärte Ziel der Weltmeisterin. Doch auch ihre Konkurrentinnen Lijao Gong (China) und die zweimalige Olympiasiegerin Valerie Adams (Neuseeland) sind in bester Verfassung.
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Robert Harting (Diskus): Kann der 31-Jährige seinen Coup von London wiederholen? Der dreimalige Weltmeister hat nach seinem Kreuzbandriss schwer geschuftet - und ist nicht mehr der Gejagte, sondern Jäger. Das gefällt ihm richtig gut. Topfavorit ist Hartings Dauerrivale Piotr Malachowski. Doch die Killer-Qualitäten des Berliners sind legendär. Auch sein jüngerer Bruder Christoph will um eine Medaille kämpfen.
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David Storl (Kugel): WM- und EM-Gold hat er schon, nun soll auch der Olympiasieg her. Seine chronischen Knieprobleme hat der 26-Jährige mittlerweile in den Griff bekommen, die ganz großen Weiten lassen bisher aber noch auf sich warten. Um die starken Amerikaner zu schlagen, muss alles passen.
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Thomas Röhler (Speer): Der 24-Jährige führt mit 91,28 m als einziger Deutscher die Weltjahresbestenliste in seiner Disziplin an, entsprechend hoch hat der Jenaer seine Ziele für Rio gesteckt. Seine Rückenprobleme von der EM hat Röhler auskuriert, er ist bereit. Auch Johannes Vetter (88,23) und Julian Weber (88,04) träumen von einer Medaille.
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Gesa Felicitas Krause (3.000 m Hindernis): Im Vorjahr stürmte die 24-Jährige bei der WM in Peking sensationell zu Bronze, in diesem Jahr bei der EM zu Gold. Jetzt plant die Frankfurterin den nächsten Coup. In Kenia hat sie sich intensiv vorbereitet, ist noch tempohärter geworden. Für eine Olympia-Medaille muss sie aber einen richtig guten Tag erwischen.
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Betty Heidler (Hammer): Die Grande Dame des deutschen Hammerwurfs will sich mit einem Knalleffekt von der internationalen Bühne verabschieden, nach der Saison beendet die ehemalige Weltrekordlerin ihre Karriere. Gold ist für die Polin Anita Wlodarczyk reserviert, doch Silber ist für Heidler drin - wenn die Nerven mitspielen. Zuletzt wirkte sie gelöst und locker.
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Julia Fischer (Diskus): Die Freundin von Robert Harting machte bei der EM in Amsterdam ihre Reifeprüfung, gewann mit Silber ihre erste Medaille. Wie die Weltranglistendritte Fischer (68,49) schielt auch Nadine Müller am Zuckerhut auf Bronze, vielleicht Silber. Nicht zu schlagen sein wird London-Olympiasiegerin Sandra Perkovic (70,88/Kroatien).
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Max Heß (Dreisprung): Deutschland hat endlich wieder einen Dreispringer von Format. Jung, frech, unbekümmert - der 20-Jährige bezeichnet sich selbst als "coolen Hund". Bei der EM landete der Chemnitzer erst bei 17,20 m und holte sensationell Gold. Der Titel hat Heß einen Extra-Schub verliehen. Eine Medaille ist drin.
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Cindy Roleder (100 m Hürden): Vize-Weltmeisterin und Europameisterin - auf die 26-Jährige ist Verlass, wenn es drauf ankommt. Die neue Weltrekordhalterin Kendra Harrison (12,20) qualifizierte sich bei den US-Trials nicht, dennoch sind es die Amerikanerinnen, die es zu schlagen gilt.
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Arthur Abele (Zehnkampf): Nach seinem Sieg in Ratingen flossen Freudentränen. Kein Wunder: Der 30-Jährige wurde immer wieder von Verletzungen ausgebremst. Erst vor einem Jahr riss die linke Achillessehne - jetzt ist er in der Form seines Lebens. Mit 8.605 Punkten rangiert der junge Vater aus Ulm auf Platz zwei in der Welt und peilt mit einer Medaille die Krönung seiner Karriere an.
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Marie-Laurence Jungfleisch (Hochsprung): Mitte Juli knackte die Stuttgarterin endlich die magische Zwei-Meter-Marke und katapultierte sich damit in den Kandidatenkreis für eine Medaille. Nur Chaunte Lowe (2,01) sprang in diesem Jahr höher.
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Die Speerwerferinnen: Die deutsche Meisterin Christin Hussong (66,41, im Bild), die EM-Zweite Linda Stahl (65,25) und Ex-Weltmeisterin Christina Obergföll (64,96) haben alle Chancen auf das Podest. Weltmeisterin Katharina Molitor schaffte es angesichts der starken nationalen Konkurrenz gar nicht erst ins Team.
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Sprintstaffel Frauen: Kurz vor Olympia rannten Tatjana Pinto, Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase in starken 41,62 Sekunden Weltjahresbestzeit - allerdings haben die US-Girls und die Jamaikanerinnen noch kein ernsthaftes Rennen bestritten. Mit der Zeit blieb das Quartett nur 25 Hundertstel über dem deutschen Rekord (41,37) aus dem Jahr 1985. Klappen die Wechsel perfekt, ist vielleicht was drin.
Harting gefällt die Rolle des Jägers
Diskus-Riese Harting steht bei seiner Rückkehr auf die ganz große Bühne besonders im Fokus. Knapp zwei Jahre nach seinem Kreuzbandriss und der verpassten WM 2015 greift der 31-Jährige am Samstag (13.08.2016) wie in London nach Gold - ohne die Last des Top-Favoriten schultern zu müssen. "Ich kann nicht mehr mit der alten Stärke auftrumpfen, aber es ist auch cool, von hinten ein bisschen zu sticheln. Ich bin nicht mehr der Gejagte, sondern der Jäger - das gefällt mir", sagte der Berliner, der mit seinen 68,04 m die Nummer drei der Welt ist. "Die haben mich lange nicht mehr auf diesem großen Parkett gesehen, ich bin ein unkontrollierbarer Faktor. Das ist mein Vorteil", so der dreimalige Weltmeister.
Junge Athleten drängen ins Rampenlicht
Nach insgesamt 16 Mal Edelmetall - darunter fünf Goldmedaillen - bei der EM rund fünf Wochen vor Beginn der olympischen Leichtathletik-Wettbewerbe und intensivem Feinschliff im Anschluss strotzen die DLV-Asse vor Selbstvertrauen. "Wir haben die Zeit nach der EM gut genutzt und gehen durchaus optimistisch in die Wettbewerbe", sagte Gonschinska. Schließlich drängen neben den arrivierten Athleten auch Talente wie Dreisprung-Europameister Max Heß, Sprinterin Gina Lückenkemper oder Hochspringerin Marie-Laurence Jungfleisch ins Rampenlicht.
Russische Mannschaft ausgeschlossen
"Shining under Pressure" lautet das Motto, das Gonschinska für Rio ausgerufen hat, also unter der Drucksituation der Olympischen Spiele seine "Leistung abrufen" zu können. Ein sonst so starker Gegner ist jedenfalls nicht dabei: Die russische Mannschaft ist wegen des massiven Dopingskandals ausgeschlossen. Einzige russische Teilnehmerin ist Darja Klischina. Die Weitspringerin erhielt Mitte Juli vom Weltverband IAAF die Starterlaubnis für Rio, weil sie seit 2013 in Bradenton/Florida lebt, trainiert und sich dem Anti-Doping-System der USA unterwirft.
Stand: 11.08.16 15:44 Uhr