Interview

Betty Heidler: "Ich bin verdammt stolz"

Beim Blick zurück: Welche sind Ihre persönlichen Karriere-Highlights?

Betty Heidler freut sich über Olympia-Bronze © Thomas Luerweg Foto: Thomas Luerweg

Betty Heidler bejubelt 2012 Olympia-Bronze.

Heidler: Das ist schwer zu beantworten. Es gibt ganz viele schöne Momente, auch mit einem vierten Platz, zum Beispiel 2004 in Athen. Klar, die Goldmedaillen 2007 und 2010, der Weltrekord war besonders und natürlich London 2012, wo ich vielen im Gedächtnis geblieben bin. Es ist lustig, dass sich so viele an den Messfehler erinnern können. Wenn ich dann sage, 'ach übrigens, ich war die Betroffene', dann fallen die immer aus allen Wolken. Die WM 2009 in Berlin mit Silber war speziell, weil es die Heimatstadt ist und das Gänsehautfeeling extrem war, auch mit dem deutschen Rekord damals. Das ganze Stadion hat angeklatscht und bei der Siegerehrung habe ich übelst gezittert, weil es sehr emotional war. Wenn ich das jetzt so erzähle, kommt gleich wieder alles hoch. Das sind auf jeden Fall die Momente, die hängenbleiben und auf die ich auch stolz bin.

Aus der Bronzemedaille von London könnte noch Silber werden, weil Tatjana Lysenko unter den acht russischen Athleten ist, die bei Nachtests von den Spielen 2012 des Dopings überführt wurde. Wie stehen Sie dazu?

Heidler: So einen richtigen Bezug dazu habe ich nicht, muss ich sagen. Der Wettkampf und die dazugehörige Geschichte sind bei mir verbunden mit der Bronzemedaille und das wird auch allen so in Erinnerung bleiben. Wenn dann irgendwann irgendwo steht, sie hat Silber bekommen - das macht keinen großen Unterschied für mich. Es ist ein Stück Gerechtigkeit, natürlich. Aber der Moment ist nicht mehr da, das Gefühl für eine Silbermedaille ist nicht da, geschweige denn die ganzen materiellen Dinge, die da dranhängen. Von daher werde ich sie nehmen und genauso sorgfältig verpacken und weglegen wie die Bronzemedaille. Aber es ist trotzdem ein komisches Gefühl.

Bei der WM 2011 in Daegu haben sie sich Lysenko geschlagen geben müssen, eine ganz bittere Niederlage damals. Erscheint der Wettkampf jetzt in einem anderen Licht?

Karriere-Höhepunkte

Olympia-Bronze 2012, Vierte 2004
Weltmeisterin 2007
Vize-Weltmeisterin 2011 und 2009
Europameisterin 2010
Elfmalige deutsche Meisterin
Weltrekordhalterin 21.5.2011 - 31.8.2014 (79,42 m)
Deutsche Rekordhalterin

Heidler: Wenn man logisch überlegt - die Dopingprobe 2005 war positiv, wurde aber nicht gewertet, weil die Jahresfrist verstrichen war. 2007 bis 2009 war sie gesperrt, da war sie positiv, 2012 ist sie positiv. Jetzt kann man spekulieren, ob sie die Zeit dazwischen sauber war oder nicht - da kann sich jeder seinen Teil denken ... Das ist einfach schade. Für diese ganzen Wettkämpfe, wo man hinfährt, sich duelliert und im Nachhinein weiß, es ging nicht mit rechten Dingen zu. Man ist um so viel Anerkennung und Stolz betrogen worden, um das, was man eben bekommt, wenn man einen großen Wettkampf gewinnt. Das ist echt traurig. Aber das ist der Leistungssport, da kann man nichts gegen tun.

Vielleicht ja doch? Gerade jetzt ist so viel Bewegung im Anti-Doping-Kampf ...

Heidler: Das stimmt. Und es ist auch gut, dass die, die das nachweislich jahrelang gemacht haben, Konsequenzen sehen und sich nicht denken können, das ist normal, das machen alle. Nein, das machen nicht alle und es ist auch nicht normal, dass man das macht; Betrug am Athleten, am Leistungssport und auch am Zuschauer. Das hat - und da bin ich mir hundertprozentig sicher - eine abschreckende Wirkung auf ganz viele andere Staaten und Athleten. Aber es ist trotzdem der Leistungssport. Viele verdienen damit ihren Lebensunterhalt. Es macht einen Unterschied, ob ich als Olympiasieger in bestimmten Ländern eine lebenslange Rente bekomme oder nicht. Da ist die Hemmschwelle eine ganz andere als für uns. Es ist jetzt definitiv besser als vorher und richtig gut, dass Bewegung drin ist. Aber es wird nicht dazu führen, dass keiner mehr auf die Idee kommt, irgendetwas Verbotenes zu machen im Leistungssport.

Sie haben große Erfolge gefeiert, aber auch Tiefschläge erlebt. Woran werden Sie sich nicht so gerne erinnern?

Heidler: Da gibt's eigentlich genauso viele Momente. Ich habe halt alles mitgenommen (lacht). 2005 die WM in Helsinki und 2006 die EM in Göteborg waren nicht so toll, auch 2013, 2014 und 2015 waren keine schönen Jahre. Von daher, ja, ich habe Höhen und Tiefen durchlebt.

Nehmen Sie aus Ihren Erfahrungen im Sport etwas mit für die Karriere nach der Karriere?

Heidler: Auf jeden Fall. Dass man weiß, dass man gut sein kann, wenn man alles investiert und die Leidenschaft, die man für etwas hat, auch lebt. Und natürlich auch, dass man immer wieder aus einer Niederlage positiv rausgehen kann. Man lernt im Leistungssport sich durchzusetzen, ist belastbar, stressresistent, zielstrebig und konzentriert und kann sich organisieren. Das sind alles so Sachen, die einem wirklich helfen danach.

Wie sehen Ihre beruflichen Pläne aus?

Heidler: Ich werde bei der Bundespolizei bleiben. Da habe ich eine super Ausbildung hinter mich gebracht und bin als Polizeihauptmeisterin verbeamtet auf Lebenszeit. In Absprache mit der Bundespolizei werde ich das Jura-Studium bis zum ersten Staatsexamen so schnell wie möglich durchziehen. Ob ich das zweite dann noch mache oder nicht, werde ich sehen. Dann will ich meine Karriere erst einmal bei der Bundespolizei fortsetzen.

Verabschieden Sie sich also komplett aus dem Sportgeschehen?

Heidler: Ich werde definitiv keine Trainerin oder Übungsleiterin. Dennoch würde ich meine Erfahrungen, mein Wissen und das technische Verständnis gerne weitergeben; auch diese Lebenseinstellung, das Lösen von Problemen, das man so lernt in 18 Jahren Leistungssport. Aber ich werde im Großen und Ganzen selbst den Hammer erst einmal nicht in die Hand nehmen und auch nicht in den Kraftraum gehen und Kniebeugen machen (lacht). Aber im Verein irgendwo tätig sein, vielleicht in einer Geschäftsstelle, Seminare geben, in einem Trainingslager mit dem Nachwuchs eine Fragerunde gestalten oder in Firmen reingehen, was ja viele ehemalige Leistungssportler machen, so etwas kann ich mir vorstellen.

Sie sind so etwas wie eine Pionierin in Ihrem Sport, haben eine noch junge Disziplin im Frauensport geprägt. Macht Sie das stolz?

Heidler: Aber ja, ich bin verdammt stolz auf meine Sportkarriere. Dass viele mit dem Hammerwerfen auch meinen Namen verbinden, da steckt viel Arbeit drin. Auf der anderen Seite hoffe ich für die, die nachkommen, dass es nicht so schwer wird und sie nicht zu sehr an mir gemessen werden.

Das Interview führte Bettina Lenner, sportschau.de

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 09.07.2016, 20.15 Uhr

Stand: 05.07.16 09:34 Uhr

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