Interview
Betty Heidler: "Ich bin verdammt stolz"

Hammerwerferin Betty Heidler geht ihre letzte EM an.
Sie hat WM-, EM-Gold und olympisches Edelmetall gewonnen, hielt mehr als drei Jahre den Weltrekord im Hammerwurf: Betty Heidler. Nun beendet die 32-Jährige nach über 15 erfolgreichen Jahren im Leistungssport ihre Laufbahn. Die Berlinerin im Interview über ihre vierten und letzten Olympischen Spiele in Rio, gute und schlechte Zeiten sowie ihre Pläne für die Karriere nach der Karriere.
Betty Heidler, nach dieser Saison ist Schluss mit Leistungssport. Wann und wie ist dieser Entschluss gereift?
Heidler: Die Entscheidung ist nicht über Nacht gefallen, sie hat sich schon in den vergangenen Jahren entwickelt. Es ist auch keine Notwendigkeit, weil ich beruflich oder privat keine andere Wahl habe. Man kann Leistungssport nicht ewig machen und ich habe schon in den letzten Jahren gesagt, ich gucke von Jahr zu Jahr, wie es geht, wie ich mich fühle und wie ich mich motivieren kann. Es ist eine Entscheidung aus dem Bauch heraus und ich denke, es ist eine gute Zeit, ein guter Moment dafür.
Dass der Schlusspunkt in ein Olympiajahr fällt, ist sicher kein Zufall?
Heidler: Olympische Spiele sind der Höhepunkt für jeden Sportler. Ich möchte einen schönen Abschluss für mich selbst finden und dieses Stück Lebensgeschichte dann abschließen. Nach London hatte ich nicht gedacht, dass ich so weit komme und in Rio noch starten werde. Dass es jetzt doch so ist, freut mich unglaublich. Aber ich kann mich nach den vierten Olympischen Spielen nicht noch einmal für die nächsten Spiele vorbereiten, dafür bin ich auch zu alt. Ich will aufhören, wenn ich fit und erfolgreich bin und mich dann mit meiner Energie, die ich habe, anderen Zielen in meinem Leben widmen. Ich freue mich auf das, was Richtung Rio noch kommt. Aber ich freue mich auch schon auf das, was danach kommt.
Neuer Abschnitt
Hammerwurf
Betty Heidlers Karriere in Bildern
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Welt- und Europameisterin sowie Olympia-Dritte: Betty Heidler hat im Hammerwurf fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt.
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Die Berlinerin (l.) ist 16, als sie mit dem Hammerwurf-Training beginnt. Seit 2001 startet sie für die LG Eintracht Frankfurt. Mit 19 Jahren gibt sie 2003 in Paris ihr WM-Debüt und wird Elfte.
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Ein Jahr später ist Heidler bei den Olympischen Spielen in Athen ganz nah dran an einer Medaille. 72,73 m bedeuten deutschen Rekord. Als Vierte verfehlt sie Bronze um 57 Zentimeter.
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In den folgenden zwei Jahren geht es für die Frau mit der feuerroten Mähne auf und ab. Bei der WM 2005 in Helsinki scheitert sie in der Qualifikation, bei der EM 2006 in Göteborg wird sie Fünfte. Den Durchbruch schafft sie 2007 in Osaka.
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Mit 74,76 m und zwei Zentimetern Vorsprung vor der Kubanerin Yipsi Moreno ...
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... wird sie Weltmeisterin.
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Bei den Olympischen Spielen in Peking zählt sie zu den Favoritinnen.
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Doch der Wettkampf verläuft enttäuschend: Platz neun.
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2009 bei der Heim-WM in Berlin verbessert Heidler ihren deutschen Rekord ...
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.. auf 77,12 m und wird damit Zweite hinter der Polin Anita Wlodarczyk, die mit 77,96 m Weltrekord wirft.
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Bei der EM 2010 in Barcelona landet dann wieder die Deutsche ganz oben auf dem Treppchen - Gold vor der Russin Tatjana Lysenko und Weltmeisterin Wlodarczyk.
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Eintrag in die Geschichtsbücher: Am 21. Mai 2011 wuchtet Heidler den Hammer beim Meeting in Halle/Saale auf 79,42 m - Weltrekord!
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Zur WM nach Daegu reist sie als Topfavoritin.
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Mit 76,06 m muss sie sich Lysenko (77,13) beugen - eine bittere Niederlage.
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Am Jahresende wird Heidler - hier mit Trainer Michael Deyhle - als beste deutsche Leichtathletin ausgezeichnet. Bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres wird sie Fünfte.
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Aussetzer: Bei der EM 2012 in Helsinki scheitert die Weltrekordhalterin schon in der Qualifikation.
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Ein Warnschuss vor den Olympischen Spielen in London, wo Heidler wieder angreifen und im dritten Anlauf ihre erste olympische Medaille holen will.
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Der Wettkampf gerät für sie zur Nervenprobe. Bei ihrem weitesten Versuch kommt es zu einem Messfehler.
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Die Kampfrichter müssen manuell nachmessen. Nach bangem Warten schließlich die Erlösung: Heidler sichert sich mit 77,12 m Bronze.
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Bundespräsident Joachim Gauck überreicht den deutschen Medaillengewinnern im Schloss Bellevue das Silberne Lorbeerblatt. Heidler erhält zudem später auch die "Fair-Play-Trophäe" des Verbandes Deutscher Sportjournalisten, weil sie trotz der Computerpanne ruhig und freundlich auch im Umgang mit den Kampfrichtern geblieben war.
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Dem Hoch folgt abermals ein Tief: Bei der WM 2013 in Moskau scheitert die Mitfavoritin nach drei völlig verpatzten Versuchen überraschend schon in der Qualifikation.
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Es folgt ein "turbulentes Jahr" (Heidler). 2014 laboriert Heidler an den Nachwehen einer Knieoperation, hinzu kommen private Belastungen. Sie verpasst ihren zehnten deutschen Titel und wird bei der EM in Zürich nur Fünfte.
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Daumen hoch bei der DM 2015: Heidler macht ihren zehnten nationalen Titelgewinn perfekt.
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Doch beim Saisonhöhepunkt in Peking kommt sie mit 72,56 m nicht über WM-Platz sieben hinaus.
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In diesem Jahr soll zum Karriereabschluss bei ihren vierten Olympischen Spielen noch einmal eine Medaille herausspringen. Die Generalprobe bei der EM in Amsterdam gelang mit Silber eindrucksvoll.
Wie fühlt sich diese allerletzte Saison für Sie an? Sind Sie gefühlt auf einer Abschiedstournee?
Heidler: Nein, das nicht. Ich gehe nicht in die Wettkämpfe rein und sage mir, das wird jetzt der letzte Wettkampf hier sein an diesem Tag an diesem Ort. Ich werfe die Saison noch voll, habe auch den Anspruch, nicht nur teilzunehmen, sondern meine Leistung abzurufen, weit zu werfen und auch zu gewinnen. Ich habe dieses Jahr ein extrem hohes Leistungsniveau im Training und es wäre einfach schade, wenn ich das nicht zeigen kann. Ich will mit einer richtig guten Leistung aufhören und einem richtig guten Ergebnis, das nicht nur eine Randnotiz ist. Steffi Nerius ist in dieser Hinsicht ein Vorbild für mich, die ja 2009 bei der WM in Berlin noch gewonnen und danach aufgehört hat. Das wäre der ideale Moment auch für mich.
Aber Rio wird sicher so oder so noch einmal sehr emotional?
Heidler: Ja, einfach weil es Olympische Spiele sind und das werde ich nicht noch mal haben. Aber ich glaube nicht, dass ich beim letzten Wurf weinend aus dem Ring gehe. Das wird nicht passieren, wie ich mich kenne.
Welche Ziele haben Sie sich für die EM und für Olympia konkret gesetzt?
Heidler: Realistisch ist das, was ich auch in den letzten Jahren gesagt habe: Wenn ich das abrufen kann, was ich kann, dann werde ich auch eine Medaille gewinnen. Dass das nicht einfach ist, haben wir in den vergangenen Jahren auch gesehen, es ist kein Selbstläufer. Aber das sind meine Ziele und die möchte ich gerne noch erreichen.
Ist der Druck bei den vierten und letzten Olympischen Spielen damit so groß wie eh und je?
Porträt
Heidler: Der Druck ist da. Den mache ich mir auch selber in dem Moment, wo ich hinfahre und mit einer Medaille nach Hause kommen will. Dafür werde ich hellwach und konzentriert sein müssen. Ich denke aber, es wird trotzdem ein bisschen entspannter sein als bei den letzten beiden Olympischen Spielen. Weil ich weiß, ich habe schon alles erreicht. Ich bin extrem stolz auf diese Situation, dass ich nicht mehr irgendwas hinterherrennen muss, sondern ich mich darauf konzentrieren kann, das umzusetzen, was ich draufhabe. Ich muss keinem etwas beweisen, ich muss nicht für meine fortlaufende Karriere unbedingt eine Medaille gewinnen, um Sponsorenverträge zu behalten oder in der Sportförderung zu bleiben. Ich kann genießen, dass ich noch mal dabei sein darf. Mit dem Ziel aber auch, erfolgreich zu sein.
Die 80 Meter waren immer ein Ziel - auch jetzt noch?
Heidler: Das ist immer noch aktuell und auch immer noch realistisch. Darum kämpfe ich auf jeden Fall dieses Jahr. Es ist so, wie ich in den vergangenen Jahren auch schon gesagt habe: Das wird passieren, wenn es passieren soll. Aber wenn es nicht passiert, dann eben nicht. Verkrampft da ranzugehen macht gar keinen Sinn. Ich weiß, dass ich das werfen kann und versuche einfach, es im guten und richtigen Moment abzurufen. Mehr kann ich nicht machen.
- Teil 1: Den Abschluss genießen und erfolgreich sein
- Teil 2: "Ich habe Höhen und Tiefen durchlebt"
Stand: 05.07.16 09:34 Uhr
Deutsches Team
Medaillenspiegel
Platz | Land | G | S | B |
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1. |
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6 | 5 | 1 |
2. |
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5 | 4 | 7 |
3. |
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5 | 3 | 8 |
4. |
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4 | 5 | 3 |
5. |
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4 | 1 | 2 |
6. |
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3 | 4 | 1 |
7. |
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3 | 1 | 2 |
8. |
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2 | 5 | 3 |
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