Sprinter Julian Reus © dpa-bildfunk Foto: Bernd Thissen

Interview

Julian Reus: Volles Programm und starke Form

Julian Reus ist der schnellste Deutsche. In Amsterdam greift der Wattenscheider heute ins Geschehen ein - und hat sich mit Starts auf beiden Sprintstrecken sowie mit der Staffel viel vorgenommen. Der 28-Jährige im Interview über seine Ziele bei der EM und bei Olympia sowie die magische Zehn-Sekunden-Schallmauer.

Julian Reus, Ende Juni haben Sie Ihren eigenen deutschen Rekord über 100 m auf 10,03 Sekunden verbessert, stimmt die Form?

Reus: Die Form ist auf jeden Fall gut. Mit der neuen Bestzeit habe ich rechtzeitig zur EM gezeigt, dass ich gesund und fit bin. Die ersten Einheiten waren gut in Amsterdam. Ich bin bereit.

In Amsterdam gibt es ein Novum. Sie sind über beide Sprintstrecken auf Grundlage der europäischen Bestenliste bereits fürs Halbfinale qualifiziert. Ist das ein Vor- oder gar ein Nachteil?

Reus: Darüber habe ich mir gar nicht so richtig Gedanken gemacht. Für mich ist wichtig, dass ich dadurch die Möglichkeit habe, auch die 200 laufen zu können. Anders wäre das nicht der Fall gewesen. Dann wäre der 200-m-Vorlauf am Tag der 100-m-Läufe gewesen. Von daher freue ich mich erst einmal, dass ich auf beiden Einzelstrecken und in der Staffel vier Tage im Einsatz sein kann. Leistungsmäßig ist das eigentlich für mich kein Nachteil oder Vorteil. Kräfte sparen gibt es über 100 m nicht. Dass man sagt, man ist besser in den Wettkampf reingekommen, ist auch nicht der Fall. Von daher finde ich gut, dass ich alle Strecken laufen kann, die ich laufen möchte. Das ist trotzdem ein anspruchsvolles Programm, das muss man ganz klar sagen. Aber dafür trainiert man das ganze Jahr, um auf der Bahn stehen zu können.

Welche Bedeutung hat die EM im Olympiajahr für Sie?

Reus: Eine Bedeutung wie jede andere internationale Meisterschaft auch. Also gleichwertig auch mit Europameisterschaften in einem Jahr, wenn keine Olympischen Spiele sind. Im Sprintbereich ist alles da, was in Europa momentan schnell laufen kann und gesund ist. Von daher ist der Stellenwert sehr hoch. Wir haben anschließend noch fünf Wochen bis zu den Olympischen Spielen, was völlig ausreicht, um mich auch mental darauf zu fokussieren und das im Training nochmal anzugehen. Jetzt ist der Fokus ganz klar bei der EM.

Wenn Sie die Wahl hätten, was wäre Ihnen lieber? Eine EM-Medaille in Amsterdam oder das Finale in Rio?

Reus: Das ist eine schwere Frage. Mit welcher Zeit denn? (lacht) Fürs Finale in Rio muss man wahrscheinlich schneller laufen als hier für eine Medaille. Dann würde ich wahrscheinlich sogar das Finale in Rio nehmen.

Was haben Sie sich denn als Solist für Amsterdam vorgenommen?

Reus: Gute Rennen sind mein Ziel, deswegen bin ich hier. Dass ich keinen Fehler mache und nach den Wettkämpfen sagen kann, mit den Rennen bin ich zufrieden. Wenn ich das Gefühl habe, dann werden Leistung und Zeit stimmen und dann bin ich überzeugt, dass auch die Platzierung stimmen wird.

Der Franzose Jimmy Vicaut ...

Reus: ... wird glaube ich nicht zu schlagen sein.

Eine Zeit unter zehn Sekunden ist in Reichweite. Ist das ein erklärtes Ziel?

Reus: Es ist jetzt nicht mein Lebensziel. Ich weiß, dass es machbar ist. Ob es diesen Tag X gibt, wird man sehen. Ich will mich nicht daran messen lassen und auch nicht als Ziel meiner Karriere ausgeben. Denn es sind Dinge dafür notwendig, die man selber nicht beeinflussen kann. Für mich ist es wichtig, mich weiterzuentwickeln. Dann wird man am Ende sehen, ob es das geben wird oder nicht.

Was ist in Amsterdam mit der Staffel drin?

Reus: Jeder Einzelne muss seinen Job machen und läuferisch sein Zeug abrufen. Wenn uns das gelingt, bin ich auch sehr davon überzeugt, dass wir einen guten Platz erreichen werden - und das wird dann höchstwahrscheinlich auch wieder im Medaillenbereich sein. Das traue ich uns auf jeden Fall zu. Die Briten, die Franzosen muss man auf der Rechnung haben, auch die Holländer hier zu Hause. Mit denen wird's einen heißen Kampf um die Medaillenplätze geben.

Die deutschen Sprinter und Sprinterinnen sind derzeit sehr stark. Warum ist das so?

Reus: Ein ganz wesentlicher Bestandteil ist, dass wir seit Jahren die Trainingslagerintensität deutlich erhöht haben. Auch jetzt waren wir in der Vorbereitung wieder fünf Wochen in Südafrika und sechs Wochen in den USA. Daraus ergibt sich auch, dass man zehn bis zwölf Wochen im Jahr mit seinen Konkurrenten verbringt. Wir haben ein so gutes Verhältnis untereinander, dass wir auch versuchen, den anderen mit besser zu machen; auch weil wir wissen, dass wir das für die Staffel brauchen. Das ist ein sehr respektvolles uns vertrauensvolles Miteinander - und für unsere Leistungsentwicklung sehr von Vorteil.

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bestreitet am Donnerstagabend ihr EM-Halbfinale gegen Frankreich. Sie sind zuvor über die 100 m dran. Wie sieht Ihr perfekter Donnerstag aus?

Reus: Erst mein schönes Halbfinale, dann das Finale mit einem guten Rennen und dann hoffe ich, dass ich es rechtzeitig schaffen werde zum Halbfinale der DFB-Mannschaft. Wenn ich Pech habe, sitze ich dann aber bei der Dopingkontrolle oder bin gerade unterwegs. Dann werde ich das Ganze wahrscheinlich übers Internet verfolgen.

Das Interview führte Bettina Lenner, sportschau.de

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 09.07.2016, 20.15 Uhr

Stand: 07.07.16 05:50 Uhr

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Aktueller Medaillenspiegel
Platz Land G S B
1. Flagge Polen POL 6 5 1
2. Flagge Deutschland GER 5 4 7
3. Flagge Großbritannien GBR 5 3 8
4. Flagge Türkei TUR 4 5 3
5. Flagge Niederlande NED 4 1 2
6. Flagge Spanien ESP 3 4 1
7. Flagge Portugal POR 3 1 2
8. Flagge Frankreich FRA 2 5 3
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