Die Läufer verlassen nach Start zum Marathonlauf das Olympiastadion. © picture-alliance/ dpa

Amsterdam 1928: Versöhnung statt Rivalität

1928 feiert Olympia Wiedervereinigung: Deutschland ist nach 16 Jahren Abstinenz wieder am Start. In Amsterdam dürfen zudem erstmals Frauen in der Leichtathletik starten. Motto: "Dabei sein ist alles."

Versöhnung ist das Stichwort der Spiele von Amsterdam 1928, vor allem aus Sicht der Deutschen. Sie werden - nach zweimaligem Ausschluss in Folge des Ersten Weltkriegs - schon kurz nach den Spielen von Paris 1924 nach Amsterdam eingeladen. Nach ihren "Kampfspielen" 1922 und 1926, einer Art Olympia-Ersatz, zeigen sich die Deutschen - mit zehn Goldmedaillen, siebenmal Silber und 14-mal Bronze und damit Platz zwei im Medaillenspiegel - außerordentlich konkurrenzfähig. So sehr, dass das US-amerikanische Außenministerium prüfen lässt, ob das "sportliche Aufrüsten" nicht abermals auf Kriegsvorbereitungen vonseiten Deutschlands schließen lässt. Die Prüfung bleibt offenbar ohne nachhaltiges Resultat. Als "Gold-Schmiede" erweisen sich vor allem die deutschen Dressurreiter um Carl Freiherr von Langen-Parow, der Einzel- und Teamsieger wird. "Draufgänger" heißt sein Pferd.

Geschichte

Das war Olympia 1928 in Amsterdam

Mit Weltrekord zum 800-m-Gold

Lina Radke-Batschauer (Karlsruhe, vorn) bei ihrem 800-m-Goldlauf vor Kinue Hitomi (Japan) © ullstein bild - ullstein bild

Lina Radke-Batschauer (vorn) bei ihrem 800-m-Goldlauf.

Endlich ist die Leichtathletik auch für Frauen offen. Das erste Gold für Deutschland in der olympischen "Kernsportart" holt über 800 m Lina Radke-Batschauer nach äußerst spannendem Rennverlauf - mit Weltrekord von 2:16,8 Minuten. Einige Teilnehmerinnen brechen allerdings zusammen. Das führt zu einer erneuten Diskussion über die Belastungsfähigkeit des vermeintlich "schwachen" Geschlechts. Die Folge: In den kommenden 32 Jahren (bis Rom 1960) werden für Frauen keine Wettkämpfe jenseits der 200 m mehr ausgetragen. Für die kanadische Hochsprung-Olympiasiegerin Ethel Catherwood, die mit 1,59 m gewinnt, hält sich die Belastung dagegen sichtbar in Grenzen: Während die Konkurrenz Dehnübungen macht, zieht Catherwood ihren Lippenstift nach.

Bei den Männern dominieren erneut die Finnen die Mittelstrecken. Paavo Nurmi ist zwar nicht mehr so erfolgreich wie 1924 (fünfmal Gold), rennt aber noch zu einmal Gold (10.000 m) und zweimal Silber (5.000 m, 3.000 m Hindernis). Im Säbelfechten beginnen die Ungarn ihre unvergleichliche Erfolgsserie: Einzel- und Mannschaftsgold geht fortan an die Magyaren - bis 1964 in Tokio.

Warten und Wundern

Schnellster Mann der Welt wird Percy Williams. Der Kanadier ist der dritte Sprinter, der bei den Olympischen Spielen sowohl über 100 als auch 200 m die Nase vorn hat. Als er in sein Hotel zurück will, versperrt eine Menschentraube die Tür. "Wir warten auf den Olympiasieger Williams", sagt einer aus der Menge. Der so Begehrte gesellt sich hinzu und plaudert mit den Wartenden. "Ich hatte viel Spaß, während ich auf mich wartete", ulkt Williams später. Kurios auch der Marathon: Der Kolonialfranzose Boughèra El Ouafi, Siebter von 1924, gibt ab Kilometer 25 Gas und lässt die vor ihm Laufenden stehen. Überholt wird der gebürtige Algerier selbst nicht, zu seiner eigenen Verwunderung. Dass der 29-Jährige in Führung liegt, sagt ihm niemand. Noch im Ziel wundert er sich - als erster französischer Marathonsieger der Olympiageschichte.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 09.07.2016, 20.15 Uhr

Stand: 16.06.16 10:32 Uhr