Blick auf die Tartanbahn im Olympiastadion von Amsterdam. © dpa bildfunk

Busemanns EM-Kolumne

EM vor Olympia oder: Der größte Firlefanz?

von Frank Busemann

Stell Dir vor, es ist EM - und nicht alle wollen hin! In Amsterdam ist eine ganze Reihe von Topstars nicht am Start, um den Formaufbau für den Saisonhöhepunkt in knapp fünf Wochen in Rio de Janeiro nicht zu gefährden. Der ARD-Leichtathletik-Experte Frank Busemann fragt sich in seiner Kolumne, wie viel Sinn denn dann so eine prä-olympische Europameisterschaft eigentlich macht.

"Früher war alles besser!", hört man die Nostalgiker sagen. Doch dann wurde der Sport zum Geldverdienen und als Entertainment-Bühne entdeckt. Gab es früher lediglich Olympische Spiele und Europameisterschaften, werden heute die Highlights im Stakkato-Takt scheinbar inflationär als Gelddruckmaschine genutzt. Doch was bekommt ein Europameister der Leichtathletik außer einer Medaille? Einen herrlichen Blumenstrauß, der sicherlich den Weg ins Publikum findet, und ein Maskottchen.

EM-Titel mit fadem Beigeschmack

Prämien machen im Vergleich zu Fußballer-Belohnungen einen Bruchteil aus. Je nach Verhandlungsgeschick des Managements können die Athleten nach den Titelkämpfen leicht höhere Antrittsgagen einstreichen - nicht schlecht - und sich mit dem Titel Europameister schmücken - schon besser, aber auch nicht gut, wenn man dann in Rio versagt. Zumal ein Titel "Europameister vor den Olympischen Spielen" etwas fade behaftet sein könnte. Gewonnen, weil die Guten in der Olympiavorbereitung standen. Klasse. Kampf pur. Erotik des Sports sieht anders aus.

Die Finanzlage im Hinterkopf

Robert Harting © picture alliance / dpa Foto: Christian Charisius

Ziel Olympia-Gold: Diskus-Riese Robert Harting lässt die EM in Amsterdam aus.

Vor Olympischen Spielen passt so eine EM auch nicht wirklich in den Trainingsaufbau. Der Europäische Leichtathletik-Verband verkauft die kontinentalen Spiele zwar als weitere Möglichkeit für Sportler sich zu zeigen, aber vielleicht will ein Robert Harting das vor Rio ja gar nicht und bereitet sich lieber in Ruhe vor. Ein David Storl nimmt so eine EM aus dem Training mit. Wenn es in die Hose geht, dann wird er das verkraften. Wenn's klappt, umso schöner. Im Gegensatz zu früheren Athleten sind sie heute seltener Dorfvorsteher, Prokuristen oder Erzieher, sondern in erster Linie Sportler - und die müssen sich finanzieren.

Wettkampftiere müssen sich messen

Man muss sich langsam fragen, wann die Flut der Höhepunkte ein Ende hat. Amsterdam wird diesbezüglich die Richtung zeigen, aber noch scheint der Markt nicht gesättigt. Und wenn wir mal ehrlich sind, laufen da unten in der Arena nur Wettkampftiere rum. Die trainieren zwar gerne, aber messen sich noch viel lieber mit anderen. Und wenn der Wettkampf dann den Titel Europameisterschaft trägt, dann nehmen sie das gerne mit. Wer wirklich gut ist, der kann (mal abgesehen von den kräftezehrenden Disziplinen Mehrkampf und Marathon) auch mehr als einen Wettkampf im Jahr machen und den als Aufbau integrieren. Er hat überdies auch die Möglichkeit zu verzichten, wenn er die Muße dazu hat.

Und doch sind viele am Start

Eigentlich ist so eine EM vor Olympia der größte Firlefanz den man sich vorstellen kann, aber weil alle denken, dass sie mal billig einen Titel mitnehmen können, sind sie dann doch (fast) alle da. Ob die EM als weiterer Höhepunkt gut oder schlecht ist, kann nur jeder Athlet für sich selbst entscheiden.

Dieses Thema im Programm:

Sportschau live, 09.07.2016, 20.15 Uhr

Stand: 05.07.16 17:27 Uhr

Das ist Frank Busemann

Geboren:
26. Februar 1975 (Recklinghausen)
Disziplinen:
Zehnkampf, Hürdensprint
Sportliche Erfolge:
Olympia-Silber 1996 (8.706 Punkte)
WM-Bronze 1997 (8.652 Punkte)
U23-Europameister 110 m Hürden 1997 (13,54 Sek.)
Juniorenweltmeister 110 m Hürden 1994 (13,47 Sek.)
Auszeichnungen:
Rudolf-Harbig-Gedächtnispreis 2004
Sportler des Jahres 1996
Karriereende:
23. Juni 2003
Karriere nach der Karriere:
Vorträge/Seminare zum Thema Motivation
Buch-Autor
ARD-Leichtathletik-Experte
(Morgenmagazin, Das Erste, sportschau.de)

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